Wenn es sich nicht nach Musik anhört

Verbal-Sado-Maso

Es gibt Menschen, die brauchen einfach mal ein Kontra. Kennen Sie das, wenn Sie beispielsweise in irgendeinem Amt sitzen und der oder die Sachbearbeiter/in ist unsäglich barsch zu Ihnen? Ich hoffe Sie haben schon die Erfahrung gemacht, dass diese Menschen um 180° umschwenken können, wenn man sie elegant aber bestimmt in die Schranken weist. Sie benehmen sich dann plötzlich ganz normal. Ich verbuche diese Sorte Mensch unter der Kategorie Verbalmasochisten. Sie brauchen es, verbal angegangen zu werden. In gewissem Maße natürlich. Sie mögen das. Sie provozieren das. Wir haben solche Menschen natürlich auch als Kunden. Verbalmasochisten treiben sich halt überall rum.
Es ist mir schon einige Male passiert: Wenn sie mir blöd kamen, kam ich Ihnen genauso blöd- und zack: auf einmal versteht man sich prächtig. Es ist verrückt, aber es ist so. Gut, es klappt nicht bei allen, aber über jene, bei denen es klappt, staune ich immer wieder. Warum nicht gleich so?

Zwei Beispiele:

Neulich war ich gerade dabei die letzte Kundin vor meiner Pause abzukassieren. An der Kasse der Kollegin stand ein einziger Kunde. Ich dachte: „Ok, Kasse zu- Zigarette“.

Irgendjemand hatte aber mein „Kasse geschlossen“-Schild ans unbewegliche Ende der Kasse gestellt, so das es in meinem momentanen Radius nicht mehr erreichbar war. Es passiert öfter, dass Kunden die Schilder einfach IRGENDWO hinstellen, -legen, -schmeißen, wenn die Kasse geöffnet wird. Man kann ein solches Schild ja nicht einfach auf dem Band stehen lassen, bis es bei der Kassiererin angekommen ist, damit diese es bequem in Griffweite hat. Geschweige denn, es zu ihr durchreichen- Pah! Meine Vorstellung von den Gedanken der Kunden, falls sie überhaupt welche dazu haben: „Kasse offen… Kasse offen! = SCHILD …MUSS …WEG!!!“. Es muss ja alles seine Ordnung haben.

Nun denn, da ich ohne Schild dasaß, informierte ich den Kunden, der mit seinen zwei Teilen zur anderen Kasse ging, sich aber offenbar gerade dazu entscheiden wollte, doch noch zu mir zu kommen, dass meine Kasse geschlossen sei. Ich tat das in leicht singendem Tonfall: „Ich hab geschlossen!“.
Er zeterte sofort los: „Ja was denn!? Ich stehe doch HIER und nicht bei Ihnen!“.
Ich riss mich zusammen und sagte beschwichtigend: „Ich wollte Sie ja nur darauf hinweisen.“
Er in patzigem Ton: „Was machen Sie mich so an!?“.

Mir ist das erste Mal in diesem Job vor aller Kundschaft so richtig der Kragen geplatzt. Ich gebe zu, ich habe schon weitaus schlimmeres erlebt (siehe Kassenleitlinien), aber an diesem Tag war ich nervlich nicht am Start. Da will man nur nett sein, und den Kunden auf die geschlossene Kasse hinweisen, BEVOR er unnötigerweise an meiner Kasse auflegt, um dann alles wieder zur Kollegin umräumen zu müssen (Na gut, zwei Teile sind jetzt nicht so wahnsinnig kompliziert, aber trotzdem), und dann kriegt man nur sowas zu hören.

Ich beugte mich zu ihm vor und sagte mir lauter und fester Stimme: „Ich mache Sie nicht an!“. Dann bin ich schön ausgeflippt und habe durch den Laden geschrien, dass ich es leid wäre, ständig wegen jedem Scheiß einen dummen Kommentar zu bekommen, und ob ich aussehen würde wie ein beklopptes Stehaufmännchen. Ich bin ins Lager gestürmt und wie ein beklopptes Stehaufmännchen hin und her gerannt bis ich meine Atmung wieder im Griff hatte. Das ist mir noch nie passiert.

Er kam letzten Samstag wieder. Er stand an meiner Kasse und war furzfreundlich zu mir. Er war vorher noch nie freundlich gewesen. Höchstens neutral. Das ist auch okay, aber eben nicht freundlich.

Das war das aktuellste Beispiel zum Thema. Hier noch ein hübsches:

Die Schlange ist üppig und ich erstklassig am Kassieren, als ein Artikel nicht über den Scanner will. Ich frage meine Kollegin an der anderen Kasse, ob Sie eine Nummer dafür weiß. Meine Kollegin verneint. Ich mache Anstalten, meinen Hintern in windeseile zum Regal zu tragen, um mir die Artikelnummer zu besorgen, da höre ich von der schlecht blondierten und generell kommentierfreudigen Stammkundin in der Warteschlange: „Boahr, isch hasse dat, wenn die dat nisch wissn.“ Ich traue meinen Ohren nicht, halte inne, drehe mich zu ihr um, ziehe die Augenbrauen hoch und sage in säuerlichem Tonfall: „Wie Bitte?“ Sie reagiert nicht. Ich fahre fort: „Wir haben über tausend Artikel im Sortiment. Ich kann nicht alles wissen.“ Sie ist erschrocken, hält aber den Mund und ich gehe mir geschätzte zehn Sekunden lang die Nummer holen.
Seitdem halten wir auch durchaus mal ein Pläuschchen an der Kasse.

Die Moral von der Geschicht: Klappe halten lohnt sich nicht.

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