Wenn Du glaubst, schlimmer wirds nicht mehr, kommt von irgendwo ein Arschloch her

Tagesarschloch

Das Arschloch des Tages kommt gerne in Gestalt einer schief gewickelten Getränkepalette daher. Sie wird von jedem Mitarbeiter gemieden, bis es nicht mehr anders geht. Sie kippt mit hoher Wahrscheinlichkeit um. Sie kippt aber auf jeden Fall um, wenn man zu diesem Zeitpunkt den Kaffee sowieso längst auf hat. Das Tagesarschloch kann auch einfach „nur“ eine zu Bruch gegangene Flasche Olivenöl sein. Regelmäßig aber erscheint es auch in Menschengestalt.

Der pedantische Arsch

Ich schätze ihn auf Mitte dreißig. Er ist klein, hat sehr kurze Haare und leichte Koteletten. Seine spitze Nase und die kleinen faltenlosen Augen lassen ihn unsympathisch wirken. Er trägt ausgewaschene Bootcut-Jeans und vornehmlich langärmlige, kleinkarierte (!) Karohemden, deren Ärmel er lässig bis zum Ellenbogen hochschiebt. Sein Schuhwerk ist auf modische Stoffturnschuhe beschränkt. Wenn es kälter ist, trägt er eine lässige Jeansjacke zum Karohemd.

Des Öfteren steckt ein gelbes Reclam-Heft in der Brusttasche seines Hemds, oder in seiner Jeansjacke.

Ich bin nicht sicher, ob die Reclam-Hefte nur Deko sind, denn er stellt sich in der Regel an das Zeitungsregal und liest ewig lang die BILD-Zeitung.

Er kommt meistens eine halbe Stunde bevor wir schließen und stellt sich dann an das Zeitungsregal. Er schnappt sich die BILD und bleibt dort so lange stehen, bis wir anfangen, die Kunden zur Kasse zu bitten.

Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass man bei durchschnittlicher Intelligenz länger als fünfzehn Minuten für das Durchlesen der BILD-Zeitung braucht, geschweige denn, dass man es länger als fünfzehn Minuten aushält.

Genau dann, wenn wir nun die Kunden bitten, ihre Ware zu bezahlen, fällt ihm also ein, dass er ja noch etwas einkaufen wollte. Ich würde darauf wetten, dass es sich bei seiner Zeitplanung um pure Bosheit handelt.

Nach der zweiten oder dritten Aufforderung geht er los, um seine Einkäufe zu tätigen. Diese beschränken sich auf maximal fünf Teile, die er in den kleinen durchsichtigen Obsttüten transportiert (aaaargh).

Die gelesene Zeitung ist natürlich nie dabei.

Da er jedoch immer viel zu spät losgeht, um die Objekte seiner Begierde zusammenzusuchen, müssen wir ihn dann noch weitere vier Mal auffordern, zur Kasse zu gehen. Seine Antwort ist dann: „Jaja“.

Pff. Jaja. Du mich auch „Jaja“.

Konsequentes Arschlochtum

Ich habe ihn einmal in einem Supermarkt bei mir zu Hause um die Ecke gesehen. Ich habe den diabolischsten Blick auf ihn abgefeuert, zu dem ich in der Lage bin. Er hat mich blöderweise nicht angeguckt. Seine Pedanten-Nummer hat er auch dort abgezogen: Es war drei Minuten vor Ladenschluss und er sagte der Kassiererin ernsthaft, dass sie doch nun den Preis für das Viererpack Socken herausfinden solle. Er tat dies mit der Sympathie eines brasilianischen Militärpolizisten.

Die Kassen waren voll. Die Schlange ging bis zu den Kühltruhen. Die Kassiererin war quasi schon im Feierabend und ihre Kollegen in den letzten Zügen der Schlussvorbereitungen. Oh, wie habe ich es bedauert, nicht in der gleichen Schlange gestanden zu haben. Ich hätte ihn so gerne angeschnauzt, was das um diese Uhrzeit soll.

Wie kann man nur so abartig sein, und wer braucht bitte am Freitag Abend unbedingt ein Viererpack Socken?! Letztendlich hat man den Preis nicht in Erfahrung bringen können und er zog ohne frische Socken ab. Ha, ein klitzekleiner Triumph für mich, aber immerhin: ein Triumph.

Schamloser Egoismus

Einmal hat er bei uns am Laden wie wild an die Scheibe geklopft, als wir längst die Türen abgeschlossen hatten. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich nicht aufmachen könne. Ich darf das gar nicht. Er hörte aber nicht auf und deutete immer wieder mit weit aufgerissenen Augen auf die drei Brötchen in der kleinen durchsichtigen Obsttüte. Ich erbarmte mich und öffnete die Tür.

Wenn jemand trotz Allem so vehement auf etwas besteht, muss er einen guten Grund haben. Er wird einschätzen können, ob seine Aufforderung gerechtfertigt ist, oder nicht. So viel traut man seinen Mitmenschen zu. Zu viel, wie sich mal wieder herausstellte. Ich lerne das nie.

Er teilte mir mit, dass ihm die Brötchen auf die Straße gefallen waren, und dass er nun gerne drei andere Brötchen hätte. Während das hier niederschreibe, wundere ich mich über mich selbst. Eigentlich hätte ich ausrasten müssen. Jemanden nach Feierabend wegen einer solchen Lappalie zu behelligen kann nur pathologische Hintergründe haben.

Ich sagte ihm, dass wir alle Brötchen schon aussortiert hätten und zwar mit unseren bloßen Händen, die sicherlich nicht sauberer als die Mafia-Drogendealer-Nutten-Hunde-Obdachlosen-Junkie-Straße seien. Genau diese Komponenten, und noch viel mehr, haben wir nämlich durch das dreckige Geld an unseren Händen kleben. Ich könne ihm also keine Ersatzbrötchen geben. Er bestand trotzdem darauf.

Um dem Ganzen ein friedliches Ende zu bereiten, lief ich bis ganz hinten (!!!) in den Laden und holte ihm drei Brötchen. Scheiße, was war da in mich gefahren? Nein, ich habe nicht drauf gespuckt. Ich habe sie auch nicht vorher nochmal auf den Boden geschmissen, und ich habe auch nicht draufgetreten – Natürlich hätte ich es tun sollen.

Selbst schuld, denken Sie nun? Mag sein. Es sollte Ihnen jedoch vor Augen führen, dass auch der letzte Arsch noch gepampert wird. Auch, wenn Sie kein Arsch sind, ersparen Sie mir solche Aktionen bitte. Es ist nicht immer angemessen, etwas einzufordern. Ihrem Gegenüber könnte es schwer fallen, Sie abzuweisen. Zwingen Sie andere nicht unnötig zu Handlungen, wenn Sie eigentlich darauf verzichten können. Eine gesunde Kosten-Nutzen-Analyse hilft.

 

 

Diesen Artikel habe ich 2013 geschrieben, um ihn irgendwann zu fertig zu bearbeiten. Jetzt, 2018, habe ich es geschafft. Besser spät, als nie.

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