Es war so:
Ich ziehe Pappe (ich räume den Laden auf). Ich sitze bei vollem Einsatz auf dem Boden und widme mich soeben der unteren Etage des Marmeladenregals, als es von irgendwo aus dem Laden schallt: “Haaaalloo!“.
Es befindet sich kein Fragezeichen hinter dem „Hallo“. Ich überlege. Nein, ich kann nicht gemeint sein.
Kurz darauf erklingt der schräge weibliche Gesang erneut. Diesmal energischer: “Haaaaaaaaallooooo!!!“
Okay, vielleicht… bin ich doch gemeint. Ich rufe zurück: “Hallo!“ und nehme an, dass ich meine aktuelle Position im Laden damit kundgetan habe. Ich warte darauf, dass die Kundin zu mir kommt.
Aber nein, es schallt zurück: „Haaaaaalloooooo!“. Immer noch kein Fragezeichen.
Ich resigniere und hebe meinen Hintern vom Boden. Wenn die Person zur Stimme jetzt nicht wenigstens körperlich eingeschränkt ist und auf Krücken geht, ist das eine mehr als ausgesprochen majestätische Art und Weise, sich an einen Mitarbeiter zu wenden.
Nach kurzer Suche werde ich fündig: Frau Schreihals steht im Nudelgang. Sie geht nicht auf Krücken.
Ich sage: “Bitte.“
Sie sagt schroff:“ Ich suche das Kartoffelgratin.“
Ich sage:“ ?“
Sie sagt:“Ja Sie haben doch dieses Kartoffelgratin. Wo ist das denn?“
Mir wird nun langsam ersichtlich, dass sie einen an der Klatsche hat.
Ich sage:“ Ich kann Ihnen Bratkartoffeln oder Lasagne anbieten, aber Kartoffelgratin haben wir nicht.“
Sie sagt: “Doch! Wo steht das denn?“
Sie redet unglaublich laut. Schreit mich fast an. Sie ist eine wütende Königin.
Ich: „Nee, haben wir nicht. Bratkartoffeln stehen da, und Lasagne da hinten. Ecke, ganz unten, zweiter Artikel von rechts.“
Sie sagt:“ Das ist ja wohl eine Unverschämtheit! Ich will mal bitte Ihren Namen wissen.“
Ich sage: „Bitteschön“, deute auf mein Namensschild.
Es interessiert sie gar nicht.
Sie sagt: „Zeigen Sie mir jetzt das Kartoffelgratin!“
Ich sage gar nichts mehr und mache mich kopfschüttelnd auf den Weg zum Marmeladenregal.
Sie verlässt den Laden ohne Einkauf und regt sich dabei lautstark auf. Ja, Tschüss.
Nachher fällt mir ein, dass wir ja doch Kartoffelgratin haben. Allerdings versteckt in einem Mischkarton in der Kühlung. Tut mir jetzt nicht so wahnsinnig leid. Menschen, die den Schuss nicht gehört haben, braucht man fünf Minuten vor Schluss einfach nicht… Und das Kartoffelgratin ist sowieso ständig ausverkauft.
……
Kurze Zeit später schließen wir. Sind denn endlich nach mehrmaliger Aufforderung (Kindergarten. Echt.) alle Kunden an der Kasse? Ich blicke durch den ersten Gang und entdecke einen Stammkunden mit Einkaufswagen. Ich kann es mir nicht verkneifen und sage wie meine Mutter es früher tat:“ Ooooh! Ich glaubet Dir wohl! Jetzt aber hopp!!! Ab zur Kasse!“
Der Kunde grinst, macht riesige Augen, bäumt sich auf, brüllt, das Gesicht gen Decke gewandt: „Juhuuuuuu!!!!“, macht dann einen Buckel und beginnt, den Wagen wie ein Zwölfjähriger der Rennwagen spielt, Richtung Kasse zu schieben. Geil. Es ist ein sehr netter Kunde, aber gerade hatte er einfach was von einem Volltrottel. Mein Kollege lacht auf. Feierabend.
Kundenschulung 