Sahneschnitten aus dem Kundenbestand

Die Mannigfaltigkeit der Kunden

Wir alle sind Kunden. Wir sind dick, dünn, fettleibig, magersüchtig, groß, klein, schlau, dumm, dreist, freundlich, unfreundlich, gut gelaunt, schlecht gelaunt, gut aussehend, hässlich, durchschnittlich, symmetrisch, cholerisch, modisch, schlampig, verschludert, sexy, sympathisch, unsympathisch, empathiefähig, unfähig, langsam, schnell, müde, hellwach, witzig, nicht witzig, großmäulig, genervt, klugscheißerisch, verständnisvoll, unverschämt, laut, leise, jung, alt, verrückt, normal, semi-normal, pingelig, großzügig, spießig, locker, angenehm oder unangenehm.
Und diese Eigenschaften alle auf einem Haufen. Na herzlichen Glückwunsch.

Die Sahneschnitten

Es gibt besondere Stammkunden, die einer näheren Beschreibung würdig sind. Ich möchte Ihnen zwei unserer auffälligen Patienten vorstellen: Den Hobby-Mystery-Shopper und den Mann mit den langen grauen Haaren und der schwarzen Lederjacke. Dies sind nur zwei Beispiele. Wir haben noch eine ganze Menge mehr verhaltensauffälliger Kunden.

1. Der Hobby-Mystery-Shopper

Es gibt Menschen, die gibt es gar nicht. Mein Kollege würde an dieser Stelle sagen: „Leben und Sterben lassen“.

Der Mystery-Shopper an sich ist zu Deutsch nichts anderes als ein Testkäufer. Er testet alles, was man halt so testen kann: Von der Warenpräsentation über die Preisauszeichnung bis hin zum Verhalten der Mitarbeiter. Nun bekommt ein solcher Mystery-Shopper für Gewöhnlich Geld dafür, dass er testet. Er macht das beruflich (ich könnte das nie tun, genauso wenig, wie ich Fahrkartenkontrolleur inkognito sein wollte. Ich könnte das gar nicht mit meinem Gewissen vereinbaren).

Nun denn, es gibt Menschen, die sich hobbymäßig als Mystery-Shopper betätigen. Der Grund dafür ist womöglich eine anerzogene Pingeligkeit, die ihres gleichen sucht, kombiniert mit einem traurigen Privatleben.

Wir haben den penetrantesten aller Hobby-Mystery-Shopper als Kunden. Er ist groß, dünn, hat ein längliches Gesicht mit markantem Kinn, blonde Haare und ist um die vierzig. Seine Kleidung lässt vermuten, dass er eher in die alternative Ecke gehört. Man stellt sich ihn in einer alteingesessenen Szenekneipe vor. Vielleicht sogar in einem Jazzkeller. Aber das stellt man sich nur solange vor, bis man ihn kennenlernt.

Das ausgewaschene blaue T-Shirt und die lässige Jeanshose können dann nicht mehr verbergen, dass er ein heimlicher Spießer ist. Er scheint sich regelmäßig so lange durch den Laden zu wühlen, bis er ein Preisschild gefunden hat, auf dem die Mengenangabe nicht mit der tatsächlichen Angabe auf der Verpackung übereinstimmt. Er greift wie durch Zauberhand immer zu Artikeln, die mit dem falschen Preis ausgezeichnet sind. Er kann das riechen. Davon sind wir überzeugt. Er will, dass man ihm eine Steckdose zur Verfügung stellt, damit er das Radio aus dem Angebot testen kann. (Wir sind kein Elektronik-Fachhandel). Er prüft den Kassenbon auf Herz und Nieren. Er lässt nicht locker.

Selbst wenn alles korrekt ist, fragt er nach, ob der Käse richtig ausgezeichnet sei, denn er meine, dass auf dem Preisschild etwas anderes gestanden hätte. Er fragt das nur, weil er es nicht aushält, dass alles seine Ordnung hatte. Er hat meinen Chef einmal an einem Samstagnachmittag zwanzig Minuten lang zugequatscht und gesagt, dass er irgendwelche Kontakte zu Konzernzentrale hätte. Ein Samstagnachmittag ist der schlechteste Zeitpunkt, um einen Discountmitarbeiter voll zu labern. Das sollte er wissen, wo er doch Kontakte zur Konzernzentrale hat.

2. Der Mann mit den langen grauen Haaren und der schwarzen Lederjacke

Der Mann mit den grauen Haaren und der schwarzen Lederjacke ist relativ neu in unserem Kundenbestand. Er hat die abscheuliche Eigenheit, einem Vorträge darüber zu halten, wie er bedient zu werden hat, wenn er Einkaufen geht. Auslöser ist die Tatsache, dass man ihm die Ware nicht bis an den äußersten Rand der Warenablage schiebt.

Er kauft Filterzigarillos und es muss immer eine Packung von ganz hinten sein. Man darf ihm das Geld nicht in die Hand geben, sondern muss es ihm hinlegen. Den Kassenbon auch. Ich lege ihm das Geld nie da hin, wo er hinzeigt, sondern immer woanders. Das ist der Einzige Protest, der mir vergönnt ist.

Neulich kam ich zur Arbeit und erzählte, dass mir die Geschichte mit dem Scheißhaufen, den man uns in den Mittelgang gesetzt hatte, wieder eingefallen war. Meine Kollegin lachte, und sagte mir, sie hätte wieder was Schönes: Der Mann mit den grauen Haaren und der schwarzen Lederjacke hatte wohl einer anderen Kundin einen Trennstab an den Kopf gehauen. Die Kassiererin hat ihn rausgeschmissen.

Ich weiß nicht was genau der Auslöser für seinen Ausraster war. Man muss jedoch ziemlich einen an der Klatsche haben, um jemanden mit einem Trennstab anzugehen. Ich befürchte, dass er nun Hausverbot hat.

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