König Kunde und sein Wunschtraum vom diktatorischen Regime

„Sie müssen…“.

Ich verrate Ihnen jetzt etwas, das viele von Ihnen erschrecken wird: Wir müssen in erster Linie gar nichts. Wir haben das Hausrecht. Nicht Sie entscheiden, ob wir jemanden rausschmeißen, sondern das entscheiden wir selber. Wir entscheiden, ob wir ein Preisschild ein Stück nach links verschieben oder nicht. Wir entscheiden, ob eine zweite Kasse aufgemacht wird, oder nicht. Die Konsequenzen aus falschen Entscheidungen müssen wir tragen. Wenn Sie nicht mehr bei uns einkaufen kommen, haben wir etwas grundlegend falsch gemacht. Sie können sich aber ab jetzt sicher sein: Ihre Kommandos sind unerträglich. Sie sind Kunde, und wir möchten Sie auch gerne als solchen behalten. Ein Hinweis auf Dinge, die Ihnen nicht passen ist auf jeden Fall angebracht, und zwar in jedem Unternehmen („Der Ton macht die Musik“…). Ohne Sie hätten wir keinen Job. Wir wollen, dass Sie zufrieden aus dem Laden gehen und wieder kommen. Sich aber ernsthaft den Schuh anziehen zu wollen, den Untertanen mit den Namensschildern Befehle zu erteilen ist ziemlich daneben. Ich möchte ihnen ein paar Beispiele für den verbalen Klogriff „Sie müssen…“ nennen.

Wir nehmen keine Kreditkarten. Würden wir Kreditkarten akzeptieren, dann würde an der Tür oder an der Kasse ein Aufkleber mit dem entsprechenden Hinweis zu sehen sein. Warum kann man in keinem Discounter mit Kreditkarte zahlen? Ich nehme an, dass es einfach zu teuer für die Händler ist. Wie gesagt, Sie bekommen weniger Service, zahlen dafür aber auch weniger für die Produkte. Kunden halten mir des Öfteren eine Kreditkarte vor die Nase. Sie geben ein erstauntes „Oh“ von sich, wenn ich Ihnen sage, dass die Zahlung mit Kreditkarte nicht möglich ist. Einmal war es eine junge Kundin ende Zwanzig, die auf meinen Standardspruch säuerlich erwiderte: „Dann müssen Sie das auch draußen dran schreiben. Woher soll ich das denn wissen.“. Ich sparte mir einen Vortrag darüber, dass man sich für gewöhnlich vorher über die Zahlungsmöglichkeiten erkundigt, wenn keine Hinweise dazu ersichtlich sind. Ich sagte resigniert: „Das müssen wir nicht“. Sie zog beleidigt ab.

Es kann passieren, dass die Kassiererin Ihnen das Wechselgeld falsch herausgibt. Freuen Sie sich schon auf die Zeit, in der wir durch Computer ersetzt werden? Neulich gab ich einem Kunden versehentlich statt auf fünfzig Euro, auf nur fünf Euro heraus. Ich bemerkte meinen Fehler just in dem Moment, in dem ich ihm das Geld übergab und er mich irritiert anguckte. Ich gab ihm sein Restgeld, sobald ich die Kasse wieder geöffnet hatte und entschuldigte mich freundlich. Sein Kommentar war folgender: „Sie müssen gucken was Sie machen. Sie müssen auf die Kameras gucken.“ Dabei deutete er, immer noch das Geld in der einen Hand, wild fuchtelnd auf meine Kassenlade. Ich weiß nicht, wie er das mit den Kameras gemeint hat. Stellt er sich etwa vor, ich hätte einen kleinen Monitor unter der Kasse, und könne bei Bedarf mal eben eine Aufnahme zurückspulen, und nachgucken, welche Farbe der Schein hatte, den er mir in die Hand gedrückt hat? Naja, das kann er ja gerne denken. Aber dieses „Sie müssen“…aarrrrrgh. Zudem war ich ja ausgesprochen freundlich zu ihm gewesen.
Leider deuten manche Kunden Freundlichkeit falsch. Sie meinen, die Freundlichkeit der Kassiererin ist darauf zurück zu führen, dass sie ein liebes, nettes Mäuschen ist, das man verbal ruhig mal härter angehen kann. Da sind sie bei mir goldrichtig. Ich liebe es, Kunden diese Illusion zu rauben.

Einmal stand eine junge Kundin bei mir mit einer Wassermelone an der Kasse. Sie fragte mich, ob die Melone reif sei. Da ich keine Ausbildung zur Obstfachverkäuferin genossen habe, sagte ich: „Mit Sicherheit kann ich Ihnen das nicht sagen, aber ich gehe stark davon aus!“. Sie sah mich entrüstet (!) an und sagte zickig:“ Aber Sie müssen das doch wissen! Sie arbeiten doch hier!“. Was soll ich dazu noch sagen? Mir fehlten in diesem Moment wirklich die Worte angesichts dieser völlig haltlosen Aussage.

Unsere Produktpallette umfasst über tausend Artikel. Ich kenne viele der Preise der ständigen Sortimentsartikel. Aber alle zu kennen ist kaum möglich. Wenn ich einen Preis nicht weiß, weisen mich Kunden gerne auf folgendes hin: „Sie müssen das doch wissen“. Aha, muss ich also. Ja scheiße, ich bin eben eine sauschlechte Verkäuferin. Da haben Sie nun einfach Pech gehabt.

„Sie müssen“ am Arsch!

3 Kommentare zu „König Kunde und sein Wunschtraum vom diktatorischen Regime“

  1. Guter Blogpost, aber eines möchte ich nur kurz anmerken „Hausrecht“ im Sinne von „Raus aus meinem Laden, ich mag sie nicht“ geht bei einem Supermarkt nicht. Dazu gibt es bereits einige Gerichtsurteile, dass man von seinem Hausrecht nur in gravierenden Fällen Gebrauch machen kann.

  2. Ok! gute Anmerkung! Ist notiert! Ich habe mich beim Schreiben an eine Kundin erinnert, die einen Kollegen barsch „angewiesen“ hat, eine Gruppe französisch sprechender Jugendliche raus zu werfen (die nichts getan hatte) 🙂 So kam ich auf „wir entscheiden ob, oder ob nicht.“

  3. Ich kaufe Melonen nur im Sommer. Reif sind die immer, aber je reifer, umso weniger „knusprig“ wird das Fruchtfleisch. Indem man an „Enden“ und Mitte mit den Fingerknöcheln klopft, findet man raus, je heller der Sound, umso knackiger und frischer. Kannst es dir ja merken fürs nächste Mal, mit fachmännischem Blick draufkloppen und sagen: Ja, der Kürbis ist reif.

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